Kleinstädte und ländliche Regionen: Problemgebiete oder Zukunftsressource?
Rechts finden Sie pdf-Dokumente mit Seiten aus der aktuellen (01/2023) Fachzeitschrift DW Die Wohnungswirtschaft zum Thema Ländlicher Raum als Download.
Viele ländliche Regionen schrumpfen – allen politischen Beteuerungen zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und dem Ausgleich räumlicher Disparitäten zum Trotz. Um sie lebenswert zu erhalten, bedarf es ganzheitlicher Strategien und koordinierter, ressortübergreifender Konzepte.
Laut Umfrage würden mehr als drei Viertel der Deutschen gerne auf dem Land oder in kleineren Städten wohnen – und trotz allem schrumpft im ganzen Land die Bevölkerung des ländlichen Raums. Die negativen Auswirkungen dieser paradoxen Entwicklung sind überall spürbar und lassen sich aufhalten. Die Herausforderungen in wachsenden Metropolen und dem ländlichen Raum sind grundverschieden. Trotzdem können sie nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Denn wenn auf den Bevölkerungsschwund im ländlichen Raum mit dem Abbau der Infrastruktur reagiert wird, ist das Wachstum der Metropolen vorprogrammiert. Diese negative Eigendynamik erschwert das Leben im ländlichen Raum und das Leben in den Metropolen – auf unterschiedliche Art und Weise, aber mit der gleichen Wirkung: Einer steigenden Unzufriedenheit der Bevölkerung. Ihre Entfremdung von Politik und Medien sind ein Nährboden für Populismus – und damit eine Gefahr für die Demokratie. Die Stärkung und der Ausbau von Strukturen und Lebensqualität sind nicht nur eine Investition in die Zukunft des ländlichen Raumes, sondern auch in die der Städte – und in die Stabilität des politischen Systems unseres Landes.
Gleichwertige Lebensverhältnisse
Sowohl in städtischen als auch ländlichen Gebieten müssen gleichwertige Lebensverhältnisse gefördert und dauerhaft verbessert werden. Für eine sozial, kulturell und ökologisch wünschenswerte Entwicklung und den Ausgleich räumlicher Disparitäten bedarf es allerdings einer Politik des Miteinanders. Um auf einer soliden Datenbasis gute Entscheidungen zu ermöglichen, wirksame Strategien zu entwickeln und dringend notwendige Prozesse anzuregen, wird eine Faktenübersicht zum ländlichen Raum benötigt, wie sie der vtw für Thüringen entwickelt hat. Ein wichtiger Bestandteil ist die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung. So ist für Thüringen ein Bevölkerungsrückgang im ländlichen Raum zu erwarten: Bis 2040 wird sich die Bevölkerungszahl weiter deutlich reduzieren – hauptsächlich, weil mehr Menschen sterben, als geboren werden. Möglicherweise können Entwicklungen wie die pandemiebedingte oder die von hohen Immobilienpreisen getriebene Migration von den Städten aufs Land die Bevölkerungsschrumpfung im ländlichen Raum mindern. Doch wie groß das Potenzial dieser Trends ist, wird erst die Zeit zeigen. Auch die Zuwanderung aus Kriegsgebieten könnte theoretisch gegenwirken. Gerade die Überschaubarkeit, Nähe und Intensität des Zusammenlebens im ländlichen Raum können sich auch günstig auf die Integration auswirken. Es muss gelingen, eine Willkommenskultur zu entwickeln. Denn das Wohlfühlen – in den eigenen vier Wänden und im sozialen Umfeld – ist die Voraussetzung zum Bleiben, auch wenn in der (alten) Heimat wieder Frieden herrscht.
Ressortübergreifende Handlungskonzepte
Auf Basis der zusammengetragenen Daten und Informationen plädiere ich bei politischen Entscheidern für eine ganzheitliche Strategie mit ressortübergreifenden Handlungskonzepten, um die ländlich geprägten Regionen lebenswert zu erhalten. Dringlichkeit und Komplexität der Aufgabe erfordern ein koordiniertes Vorgehen, die Integration einer Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen und „Besitzständen“ sowie die Veränderung von Strukturen und Handlungsmustern. Außerdem bedarf es politischer Führung, die gewillt ist, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen – die Wohnungswirtschaft ermutigt dazu und unterstützt dabei. Darüber hinaus rufen wir dazu auf, Menschen und Kompetenzen vor Ort zu stärken. Denn nur die unmittelbare Kenntnis der Problemlagen in den Regionen sowie das Engagement der Kompetenzträger vor Ort können politische und strukturelle Richtungsentscheidungen produktiv machen. Hier spielen die Größe der Projekte oder die Höhe eingesetzter Summen eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist nur, dass etwas Spürbares für die Menschen vor Ort geschieht. Deshalb ist die größtmögliche Ermächtigung der unmittelbar Betroffenen und die Dezentralisierung von Strukturen aus meiner Sicht unablässig.
Infrastrukturen und Angebote
Für wirtschaftlich und sozial aktive Menschen sind Schulen, Kitas und kulturelle Einrichtungen sowie eine lückenlose, leistungsfähige Daten- sowie ÖPNVAnbindung elementar. Alle Erfahrungen zeigen, dass neben der medizinischen Versorgung besonders für wenig mobile oder ältere Menschen eine gute Nahversorgung essenziell ist und die Lebensbedingungen entscheidend beeinflusst. Immobilien sind immobil. Die Wohnungswirtschaft kann ihre Produkte nicht einfach dort anbieten, wo die Bedingungen den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Sie ist gefordert, bedarfsgerechten und preiswerten Wohnraum bereitzustellen und ihre Angebote mit einem guten Sozialmanagement für die Schwächeren der Gemeinschaft zu flankieren. Bei allem anderen müssen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinschaftlich im ländlichen Raum dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen passen. Dann bleiben die Menschen auch in ihrer Heimat wohnen, kommen nach Studium und Ausbildung zurück oder ziehen aus den Städten (wieder) in den ländlichen Raum. Auf diese Weise können Gebiete mit herausfordernden Rahmenbedingungen zu einer Zukunftsressource werden.
Ihr Kontakt

Rebecca Brady
Referentin Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 361 - 34010 210
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